Besinnung zum Advent 2018

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In unserer schnelllebigen Zeit hat niemand mehr Zeit. Alles soll möglichst schnell erledigt sein. In allem, was wir tun, sind wir auf ein Ziel ausgerichtet; wir leben zielorientiert, wie es so schön heißt.
Wir möchten so schnell wie möglich ankommen; am Arbeitsort, am Ferienziel, wieder zu Hause. Wir sind innerlich eigentlich schon am Ziel, selbst wenn wir noch gar nicht losgegangen sind.Manche sagen, der Weg sei das Ziel. Meist aber ist der Weg ein notweniges Übel, um das Ziel zu erreichen. Deshalb versuchen wir auch, die Zeit auf dem Weg so kurz wie möglich zu halten.
Reisende, die sich bewusst für eine längere Reisezeit entscheiden, wenn sie sich denn die Zeit dazu nehmen können, erzählen später davon, wie anders es ist, auf einer längeren Reise zu merken, wie sich Stunde um Stunde die Landschaft verändert, das Gewohnte zurückbleibt, Fremdes immer näher kommt. Am Ziel angekommen, hatte die Seele die Chance gehabt, mitzukommen und auch anzukommen.  Pilger erleben dies noch einmal anders, noch bewusster. Die Erfahrung des langen Weges zwischen dem Heimatort und dem Zielort wird zu einem Erlebnis, das seinen Wert in sich selbst hat.

Die vierwöchige Adventszeit, die mit dem heutigen Sonntag beginnt, ist der Weg auf Weihnachten hin, hin zu Gottes Ankunft Gottes mitten unter uns. Gott kann erst dann bei mir ankommen, wenn ich bei mir selbst zu Hause bin. Vielleicht wollte er schon öfter bei mir ankommen als ich mir das vorstellen kann, aber er hat mich nicht angetroffen, weil ich irgendwo anders war, nur nicht bei mir zu Hause. Die Adventszeit, auch eine Zeit, zu mir selber zu kommen.

Im Gegensatz zu dem normalen Verlauf der Adventszeit, die auf Weihnachten zu immer hektischer wird und geschäftiger und ungeduldiger, verläuft der adventliche Weg hin zu Weihnachten gerade umgekehrt: langsamer und ruhiger werden, innehalten, umschalten, die Seele nachkommen lassen, auch die leisen Töne hören in sich und bei anderen, zu sich selbst finden. Und so offen werden für das Neue, das sich anbahnt, das kommen möchte.

Unmöglich? Schwierig? Nicht zu schaffen?
Die verschiedenen Bräuche der Adventszeit wie der Adventskranz oder der Adventskalender, das Anzünden einer Kerze,  ein täglicher kleiner Spaziergang können uns dabei helfen, einen Weg der Entschleunigung zu finden. Einen Weg des In-sich Gehens. Tag für Tag und Schritt für Schritt. Bewusst. Mit wachen Sinnen. Auf diesem Weg kommen wir immer mehr bei uns selber an und werden bereit und offen für die Ankunft Gottes bei uns.

„Mache dich auf, werde licht! Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir.“

Ich wünsche Ihnen einen guten Weg durch die Adventszeit.

Ihr
Jochen Hauer, Dekan