Der Flughafen und wir – ein persönlicher Zwischenruf

Am 25. Oktober 2003 hatte die Dekanatssynode in Au das Wort des Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirks Freising zu den „Auswirkungen und Konsequenzen der geplanten Flughafenentwicklung auf Mensch und Natur“ beschlossen. Die Presse berichtete ausführlich, Ihr Gemeindebrief auch.
Ich habe unsere Stellungnahme Entscheidungsträgern in unserer Region, bei der Flughafen München GmbH (FMG) und in unserer Landeskirche ebenso zur Kenntnis übergeben wie den Bürgerinitiativen in den Landkreisen Freising und Erding.

Was ist seitdem geschehen?
Neben mehreren zustimmenden Voten aus den Reihen der Bürgerinitiativen, aber auch des Landeskirchenrats und der Präsidentin der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern wurde auch die Einladung zur Mitarbeit in der Gesprächsrunde zwischen der FMG und den Bürgerinitiativen der Umlandgemeinden ausgesprochen. Pfarrer Krusche aus Au und ich nehmen seitdem regelmäßig an den Treffen teil und vertreten dort den Standpunkt der Synode.

In mehreren Gesprächen mit den Verantwortlichen der FMG hat sich herausgestellt, dass der richtige Ansprechpartner für unsere Anliegen eigentlich nicht die FMG ist, sondern die Gesellschafter der FMG wie die Bayerische Staatsregierung, das Wirtschaftsministerium, Politiker aus der Region, die Stadt München oder der Bund sind. Sie geben die Linie vor.
Die FMG handelt nach Vorgabe der Gesellschafter nach rein wirtschaftlichen Kriterien. Von daher ist eine Expansion des Flughafens wie der Zahlen gemeinsames Interesse.

Die FMG ist global player. Das heißt, die Region um den Flughafen ist als Standort zwar wichtig, im Blick aber sind der gesamte bayerische Raum, Süddeutschland und immer mehr auch die angrenzenden Länder. Sie sind der Einzugsbereich des Flughafens. Hier werden Arbeitskräfte angeworben. Hier versteht sich die FMG als Lokomotive für die wirtschaftliche Entwicklung.

Die FMG stellt mit Erstaunen fest, dass es bei Themen der Infrastruktur wie etwa einer besseren Verkehrsanbindung kaum eine bzw. keine Zusammenarbeit der Umlandgemeinden untereinander, geschweige denn gemeinsam mit der FMG gegenüber der Staatsregierung gibt. Wie in der Vergangenheit auch schon kocht hier jeder sein eigenes Süppchen.

Eine Infrastruktur-Abgabe wird seitens des Betreibers des Flughafens rigoros abgelehnt.
Ein einseitiges Vorgehen ist rechtlich nicht möglich, weil eine solche Abgabe bundesweit einheitlich geregelt sein muss.

Meine Folgerungen aus diesem Sachverhalt
Eine Solidarisierung der betroffenen Region zusammen mit dem FMG zugunsten besserer Infrastruktur ist erstrebenswert, aber wohl unmöglich. Es gibt keine gemeinsame Entwicklungsagenda.
Eine Solidarisierung der betroffenen Region gegen die Gesellschafter der FMG zugunsten einer Wachstumsbeschränkung wäre sehr sinnvoll, ist aber aufgrund der vielen Einzelinteressen nicht realisierbar.

Die Region wird weiter Schaden nehmen, weil sie seitens der FMG und der Gesellschafter in erster Linie als Ressource für Raum, Arbeitskräfte und Wohnraum gesehen wird. Investitionen wie in den Lärmschutz erfolgen nur aus diesen Gründen.
Die Aspekte Lebensqualität in der Region, steigende Mensch- und Umweltbelastung bzw. -zerstörung durch den expandierenden Flughafen sind zweitrangig.

Unsere Fragestellungen (Grenzen des Wachstums, Folgen für die Region und die Infrastruktur) sind nicht Gegenstand des Denkens und Handelns der FMG und können es von deren Auftrag her auch gar nicht sein.

Was ist dann unsere Aufgabe im Blick auf den Flughafen und seine Entwicklung?
Von der Basis der Gemeinden und des Dekanatsbezirks aus ist eine Einflussnahme auf die Entwicklungsstrategie des Flughafens nur sehr bedingt, wenn nicht gar unmöglich.
Sehr wünschenswert wäre eine gezielte Einflussnahme durch die kirchenleitenden Organe unserer Landeskirche auf höherer Ebene, also auf die Staatsregierung und die politischen Entscheidungsträger.

Die weitere Mitarbeit in der Gesprächsrunde zwischen den Umlandgemeinden und der FMG ist sinnvoll, weil wir damit unsere Solidarität mit den Menschen und den kommunalen Verantwortlichen hier in der Region zeigen.
Wir vertreten bei diesen Gesprächen weiterhin den Standpunkt, den wir in Au beschlossen haben, und übernehmen, zusammen mit anderen, das Amt der Fragenden und Warnenden vor Ort. Nicht nur gegenüber der FMG, sondern auch im Blick auf die unterschiedlichen Interessen der Beteiligten.

Immer größere Bedeutung bekommt die Seelsorge in den Gemeinden. Wir üben Seelsorge im herkömmlichen wie im weitesten Sinn an den Menschen, die zu uns infolge des Flughafens kommen und oft vollkommen entwurzelt sind. Unsere Gemeinden sind offen für sie und laden sie ein, sich zu beteiligen und die Angebote in Anspruch zu nehmen.
Wir stellen unsere Fähigkeiten für den Kirchlichen Dienst am Flughafen zur Verfügung. Sei es in der Übernahme von Gottesdiensten oder sei es in der Mitarbeit im Kirchlichen Notfall-Team am Flughafen.

Der Dekanatsausschuss hat mich gebeten, meinen „Zwischenruf“ zu veröffentlichen. Dies tue ich gerne.
Falls Sie mir dazu schreiben möchten – ich bin gespannt

Ihr

Jochen Hauer
Dekan

2005-03