"Großmannssucht" und "Einzelinteressen"

Evangelische Kritik am Anheizen des Booms in der Flughafenregion Freising

Von Heinz Brockert (epd)

Freising (epd). Der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Freising, in dessen Bereich der Großflughafen München liegt, ist ein besonnener Mann, aber seine Kritik am weiteren Ausbau des Airports durch eine dritte Start- und Landebahn fällt deutlich aus. “Großmannssucht” wirft Jochen Hauer den Gesellschaftern der Flughafengesellschaft FMG vor, zu denen die bayerische Staatsregierung (CSU) und die von einer rotgrünen Koalition regierte Stadt München gehören.

Den Umlandgemeinden des Flughafens sagt er Kirchturmspolitik nach: “Eine Solidarisierung der betroffenen Region gegen die Gesellschafter der FMG zu Gunsten einer Wachstumsbeschränkung wäre sehr sinnvoll, ist aber auf Grund der vielen Einzelinteressen nicht realisierbar.” Der in Bamberg geborene Hauer (51), der seit 1999 als Dekan in Freising Dienst tut und zuvor 15 Jahre Pfarrer in Traunstein (Oberbayern) war, sieht die Entwicklung so wie andere

Kritiker: Der Münchner Flughafen soll zu einer globalen Verkehrsdrehscheibe ausgebaut werden und als erstes dem größten deutschen Flughafen Frankfurt den Rang ablaufen. Die Interessen der in der Region lebenden Menschen seien immer weniger im Blick.

Seine Kritik richtet der Pfarrer nicht nur an die Flughafengesellschaft. Die verstehe sich als Global Player und denke nur wirtschaftlich, “was von ihrem Auftrag her auch gar nicht anders sein kann”. Die Politik könnte steuern, aber tatsächlich heizten Bund, Freistaat Bayern und die Stadt München die Entwicklung einer schon boomenden Region noch an. Hauer teilt die Kritik des Freisinger Landtagsabgeordneten der Grünen Christian Magerl an die federführende bayerische Staatsregierung: “Mit der Zustimmung zum Bau einer dritten Startbahn setzt die Staatsregierung auf eine falsche Strukturpolitik und fatale Zentralisierung, indem sie hohe Subventionen für weitere Arbeitsplätze in eine bereits boomende Region hineinbuttert anstatt im Sinne der Landesentwicklung für gleiche Chancen in allen Regierungsbezirken zu sorgen.”

Folgerichtig sagt Hauer, dass nicht die Christen der Flughafenregion alleine gefordert seien, nach Grenzen des Wachstums und Schöpfungsverantwortung rufen, sondern die bayerischen Landeskirche ihre Stimme erheben müsste. Im bayerischen Landeskirchenamt und in der bayerischen Landesynode besteht derzeit aber noch keine Neigung, sich gleich mit Bund, Land und der Landeshauptstadt München anzulegen. Und so agiert Hauer erst einmal auf der Grundlage eines Beschlusses der Dekanatssynode Freising, die 38.000 evangelische Christen in der Region vertritt, vom 25. Oktober 2003 “Auswirkungen und Konsequenzen der geplanten Flughafenentwicklung auf Mensch und Natur”.

“Wir akzeptieren den Flughafen als Tatsache, in unseren Kirchengemeinden werden wir aber täglich mit den Sorgen und Nöten konfrontiert, die der Flughafen mit sich bringt”, heißt es da. “Die Kirche muss sich für eine lebenswerte Umwelt nicht nur für die jetzige, sondern auch für kommende Generationen einsetzen. Auch als Trägerin öffentlicher Belange hat Kirche das Recht und die Pflicht zur Mitsprache bei Planungen und Entscheidungen, die das öffentliche Leben und die Natur betreffen.” Wirtschaftliches Wachstum könne nicht das einzige Kriterium für die Entwicklungsplanung einer Region sein.

“Wachstum um jeden Preis bedeutet ein noch größeres Maß an Emissionen, verbunden mit noch stärkeren gesundheitlichen Belastungen und verminderter Lebensqualität der Anwohner”, sieht das Kirchenparlament voraus. “Wir fordern, dass die Genehmigung von Planungen erst dann erfolgt, wenn die daraus folgenden Folgelasten wie Infrastruktur, Schulen, Kindergärten, Straßen, sozialer Wohnungsbau, etc. berücksichtigt worden und die Finanzen gesichert sind”. Lebenshaltungskosten und Verschuldung seien in der Flughafenregion enorm gestiegen. “Wir fordern einen gerechten Interessenausgleich zwischen der Schaffung von Arbeitsplätzen, der Gewinnsteigerung für die Betreibergesellschaft und den Bedürfnissen von Anwohnern der Region.”

2005-04-08