Unheimlicher Nachbar Flughafen

Einen Nachbarn kann man sich meist nicht aussuchen. Er ist einfach da, ob man will, oder nicht. Es kommt dann darauf an, wie man miteinander zurecht kommt. Der Flughafen München ist unser Nachbar. Nicht mit offenen Armen aufgenommen, aber mit der Zeit akzeptiert und auch geschätzt.
Den Nachbarn Flughafen haben sich viele nicht gewünscht, aber sie haben sich mit ihm arrangiert. Vielleicht auch mit ein bisschen Stolz, denn der Flughafen im Moos ist ein architektonisches Schmuckstück mit vielen Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten. Die evangelische Kirche ist in vielfältiger Weise mit dem Flughafen verbunden: über die Flughafenseelsorge, die Nachalarmierung in einem möglichen Großschadensfall, die Mitarbeit im Kirchlichen Notfallteam, aber auch die Gottesdienste in der Christopherus-Kapelle,
Doch jetzt wird der Nachbar unheimlich. Er droht unverholen, alles, was in seiner Nähe wohnt, zu erdrücken. Die Vertreter der Betreibergesellschaft versichern immer wieder, dass der Flughafen München noch sehr viel steigerungsfähiger sei, wenn man die Kapazitäten erweitern, also die dritte Startbahn bauen würde. Die “Lufthansa” versucht Fakten zu schaffen, indem sie das Drehkreuz des Südens ausruft und aufbaut. Die drei Anteilseigner, die Bundesrepublik Deutschland, der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München unterstützen die Expansion des Flughafens einschließlich des Baus der dritten Startbahn – ungeachtet des Protests und des Widerstands aus der Region gegen diese Pläne.
Die Flugspurenaufzeichnungen belegen schon jetzt eindrücklich, dass Freising bei schlechtem Wetter Überflugsgebiet ist. Mit der dritten Startbahn wird dies für einen Großteil der Stadt zur Regel, der Flugkorridor wird automatisch breiter.

Die Folgen?

Die dritte Startbahn wird noch mehr Verkehr auf die Straße bringen. Sie wird noch mehr Lärm in der Luft und auf der Straße nach sich ziehen.
Weil der Straßen- und der Luftverkehr steigen, wird auch die Stickoxidbelastung noch größer sein als schon bisher.
Um das steigende Verkehraufkommen zu bändigen, müssen noch mehr noch breitere Straßen gebaut werden. Bis heute noch unverbaute Landschaft wird mit Teer und Beton versiegelt. Die Natur im Erdinger und Freisinger Moos wird noch weiter zurückgedrängt.
Die Lebenshaltungskosten werden weiter steigen, die Lebensqualität aber wird sinken.
Die politischen Gemeinden werden gar nicht mehr nachkommen, die benötigte soziale Infrastruktur zu liefern.
Die Grundstücke im gesamten Flugkorridor werden erheblich an Wert verlieren. Sie tun es schon jetzt.
Immer wieder wird damit argumentiert, dass der Ausbau des Flughafen das Beste für unsere Region sei.
Kommunalpolitiker aller Parteien widersprechen dem vehement. Denn sie wissen: die zumutbare Belastung für die Menschen, die Natur und die Region ist erreicht.
“Suchet der Stadt Bestes”, sagt der Prophet Jeremia einmal. Das Beste für unsere Region ist nicht die dritte Startbahn. Das Beste für unsere Region ist der Flughafen in der jetzigen Größe. Er hat ja immer noch genügend Wachstumspotential, auch mit seinen zwei Startbahnen.
Wenn ich von den Plänen der Flughafenbetreibergesellschaft höre, muss ich an diese unheimliche Geschichte vom reichen Kornbauern (Lukasevangelium Kapitel 12) denken. Immer größere Scheunen baut er, um sein Korn zu lagern. Endlich hat er genug gebaut. Zufrieden und selbstgerecht lehnt er sich zurück und muss sich dann von Gott sagen lassen, dass er sein Leben und den Sinn seines Lebens verfehlt hat.
An anderer Stelle bringt Jesus diese Gefahr, sein Leben zu verfehlen, kurz und prägnant auf den Punkt: “Welchen Nutzen hätte der Mensch, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst oder nähme Schaden an sich selbst?”(Lukasevangelium Kapitel 9 Vers 25).

Es ist höchste Zeit, ganz nüchtern eine solche Kosten-Nutzen-Rechnung aufzustellen. Denn die Verantwortung für uns und unser Leben, unsere Seele, aber auch für das Leben derer, die nach uns hier in der Region um den Flughafen leben werden, nimmt uns niemand ab. Nicht die Flughafen München Gesellschaft, erst recht nicht die Politiker, die alle nicht in der Region um den Flughafen wohnen, aber in der Betreibergesellschaft den Ausbau des Flughafens forcieren.
Ich bedaure es sehr, dass auch meine Kirche aus der Ferne Münchens oder Hannovers diese Zusammenhänge anscheinend nicht wahrnimmt. Wie sonst hätte, laut Presseberichten, das Siegel “Arbeit plus” ohne jeglichen deutlichen Kommentar verliehen werden können?
Wirtschaftliches Wachstum kann nicht das einzige Kriterium für die Entwicklungsplanung einer Region sein. Wirtschaftliche Entwicklung hat auch dem Wohl der Menschen und der Bewahrung der Schöpfung zu dienen. Für das Leben im verlorenen Paradies wie auch für das Leben in dieser Welt gibt Gott dem Menschen einen doppelten Auftrag: “Füllet die Erde . .machet sie euch untertan” und “Gott der Herr .. setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte”.

In einer begrenzten Welt gibt es kein unbegrenztes Wachstum.

Ihr

Jochen Hauer
Dekan

2007-07